22. Dezember 2016 16:00-17:30 Uni Köln Begleitseminar TransLit. 2016 Felicitas Hoppe, eine Seminarstunde über Iwein von Hartmann von Aue mit Blick auf Iwein Löwenritter von Felicitas Hoppe
(Fortsetzung vom 21. Dezember 2016)
Löwenherz – der Heimweg
2. Iweins Wahnsinn
Löwenherz, Löwenritter und sein Löwe und die schöne Leonie reiten gemeinsam dem Reich Richard Löwenherz‘ entgegen. Sie halten nur an, wenn es unbedingt sein muss. Das ist der Fall, wenn sie die Wegeschilder lesen müssen oder der Löwe in seiner Mähne gekrault werden will. Seit Leonie mit von der Partie ist, kommt das ziemlich oft vor.
Sagt an, edler Leopold, spricht Leonie Iwein an, wie kommt es, dass ihr so einen ungewöhnlichen Herold habt?
Wollt ihr wirklich die Geschichte hören? Es mag euch befremden, was euch zu Ohren kommt. Auch fällt es mir schwer, davon zu berichten, habe ich mich nun wirklich nicht mit Ruhm bekleckert. Iwein ist sichtlich verlegen. Jetzt schaltet sich Löwenherz ein, der über seinen neuen Gefährten auch nichts weiß Ja, Leopold, erzählt ruhig ein wenig von deinen Abenteuern. Das wird uns die Zeit vertreiben und die Stunden vergehen dann wie im Flug. Als Iwein Leonie auf’s Pferd helfen will, lässt sie ihn amüsiert abblitzen und schwingt sich elegant in den Sattel. Ich bin gespannt, Leopold ruft sie ihm zu, als sie dem Pferd die Sporen gibt und voranstürmt. Und das ist das Problem. Da sie so schnell unterwegs sind, muss Iwein laut schreien und das Gesagte kommt nicht immer so, wie es seinen Mund verlassen hat im Ohr des Zuhörers an. Ich habe das Herz meiner Geliebten gebrochen, weil ich mich nicht an ein Versprechen gehalten habe. Sie hat mich verstoßen und will mich nie mehr wiedersehen. Über diesen Kummer bin ich wahnsinnig geworden. Ich habe meine Haare, meine Kleidung und meinen Verstand verloren und habe im Wald als rasender einsamer Schraat gelebt. Obwohl meiner Herkunft und Ehre beraubt, besaß ich noch Bärenkräfte. Ich jagte das Wild für meine Mahlzeiten mit den bloßen Händen und aß die Beute roh und ohne jegliche Gewürze. Nackt war mein Körper der Witterung und den Launen der Natur ausgesetzt, sodass meine Haut sich in eine lederne Schutzschicht verwandelte. Nicht mehr Mensch aber auch kein Tier, so kam ich eines Tages auf eine Lichtung und sah mich dem sagenhaften Bergtroll gegenüber. Noch größer, grauer und grausamer als in den Erzählungen, stürzte er sich, sobald er mich sah, auf meine wehrlose Gestalt. Meine Kräfte reichten nicht aus, um den Bergtroll zu bezwingen. Da kam der Löwe des Weges, der sich in der Tier- und Sagenwelt einfach unheimlich gut auskannte. Er wusste, die Waffe mit der der Troll zu schlagen war, war die Kunst des Vorlesens. Sofort zückte er das Buch über die „Sagengestalten im Reich des Burgenlandes“ aus seinem Speicher und begann den Bergtroll regelrecht einzulullen. Er ließ von mir ab, setzte sich auf den Boden, rollte sich zusammen und schlief schließlich wie ein sattes zufriedenes Baby ein. Meine Begeisterung war grenzenlos. Ich bedankte mich überschwenglich bei dem Löwen, der aber auch mir gegenüber skeptisch blieb. Auch für meine Person schien er die passende Geschichte parat zu haben. Er begann vom Hofe des König Artus zu erzählen, von den Rittern der Tafelrunde, von der schönen Ginever, von Lancelot, Gawein und Iwein, in dem ich mich wiedererkannte. Während der Löwe so von der Artuslegende fabulierte, verwandelte ich mich vom nackten Waldmenschen in einen Ritter.
Seid ihr der sagenumwobene Ritter Iwein, der zusammen mit seinem Freund, dem edlen Ritter Gawein, das unschlagbare Dreamteam der höfischen Abenteuerliteratur darstellt? Leonie war vor Aufregung das Herz in die Hose gerutscht, sodass sie jetzt unruhig im Sattel hin- und herwackelte.Was? Wie kommt ihr denn da drauf? Ich heiße doch Leopold. Wahrscheinlich habt ihr ob unseres schnellen Ritts und dem damit verursachten Lärmpegel alles falsch verstanden. Hier noch einmal eine knappe Zusammenfassung: Ich, Leopold von Drüben, habe eine Wette verloren. Zur Strafe musste ich drei Tage ohne Kleidung, ohne Waffen und ohne Gesellschaft im Wald verbringen. In dieser Zeit beobachtete ich auf einer Lichtung, als ich auf der Suche nach etwas Essbarem war, einen Kampf zwischen einem Löwen und einer Schlange. Der Löwe, schon stark geschwächt von den Giftbissen seiner Gegnerin, drohte sein Leben zu lassen. Geschwind fand ich mich in meiner eigentlichen Bestimmung wieder: Frieden schaffen ohne Waffen. Ich erinnerte mich an die Geschichte vom „Dschungelbuch“ und erzählte die Episoden der Schlange Kaa. Die Schlange rollte sich ein wie ein zufriedenes Baby und schlief ein. Ich kümmerte mich um den verletzten Löwen. Als meine Wettschulden beglichen waren und ich wieder aus dem Wald heraus durfte, nahm ich den Löwen mit nach Hause. Er schwur mir ewige Treue, da ich sein Leben gerettet hatte und bat mich, ihn bei mir zu behalten. Auf Grund seiner Belesenheit machte ihn zu meinem Herold und seit Leonhard und ich gleichen Weges gehen, dient er uns gemeinsam.
Leonhard, der aufmerksam gelauscht hatte, wusste welche der Geschichten der Wahrheit am nächsten kam. Amüsiert und beeindruckt setzt er den Weg an der Seite Iweins fort.