Tageblog 6. November 2016

6. November 2015 – dpa meldet: Nach dem Tod einer 85-jährigen Wienerin fand die Polizei in ihrem Zimmer einen Haufen säuberlich zerschnittener Geldscheine. Nach dem Zusammensetzen zählten die Polizisten 950 000 Euro. „Wenn der Plan der Frau war, dass niemand ihrer Erben das Geld bekommen sollte, dann ist dieser Plan fehlgeschlagen“, zitierten Medien einen Beamten. Denn die Österreichische Nationalbank wird in diesem speziellen Fall das Geld ersetzen.

 

Und wie war’s bei Oma? Ich hole meinen sechsjährigen Sohn Max bei meiner Mutter ab. Schon auf der Treppe fängt er an zu erzählen. Voll cool. Gestern war ich mit Oma im Kino. Außerdem haben wir ganz ganz lange Uno gespielt und ich habe fast immer gewonnen. Heute morgen nach dem Frühstück haben wir dann gebastelt. Für Weihnachten. Das wird eine Überraschung, deswegen kann ich auch nicht mehr verraten. Oma hat aber ganz tolles Bastelpapier. Das sieht aus wie Geldscheine. Aber keine Echten. Da steht gar nicht Euro drauf. Sie hat mir auch ganz tolle Geschichte erzählt. Märchen aus aller Welt oder so. Ich wuschele Max durch die Haare als wir uns in’s Auto setzen. Zuhause angekommen essen wir noch einen Schinken-Käse-Toast und dann muss Max in’s Bett. Ich bin auch müde, ich hatte eine Fortbildung und habe wenig geschlafen.
Am nächsten Morgen rufe ich vom Büro aus meine Mutter an. Ich will hören wie das Wochenende mit ihrem Enkel war und natürlich frage ich auch nach dem besonderen Bastelpapier. Ach, davon hat er dir erzählt? Es soll doch eine Weihnachtsüberraschung werden.
Ich beschwichtige sie ist doch nicht so schlimm, ich weiß ja nicht was es ist. Und unter Bastelpapier das wie Geldscheine aussieht kann ich mir auch nichts vorstellen. Ich wollte aber mal fragen wo du das bekommen hast. Das würde Max vielleicht motivieren auch hier zu Hause einmal kreativ zu werden.
Ach, das alte Papier. Ich habe das gar nicht gekauft. Das liegt schon seit Jahren bei mir im Schrank. Ich gebe Max das nächste Mal etwas mit nach Hause. Ist ja schön, dass es dem Jungen so viel Spaß gemacht hat.

Zwei Wochen später ist mein Sohn wieder bei seiner Oma. Diesmal komme ich noch mit rein. Mutter hat noch einen Kaffee für mich, also setze ich mich zu ihr an den Küchentisch. Und, was habt ihr dieses Wochenende vor? Wenn das Wetter hält, gehen wir in den Zoo. Außerdem habe ich noch ein paar Filme ausgeliehen. Wir kriegen die Zeit schon rum, was Max ruft sie in das Wohnzimmer. Dort steht Max vor der Schrankwand und öffnet die linke Tür. Darin stapeln sich unzählige Geldscheine. Säuberlich sortiert nach Farben. Ich gehe näher ran und nehme einen Stapel heraus. Das sind Geldscheine aus Ländern, in denen meine Mutter gearbeitet hat und auch in Urlaub war. Sie hat die Scheine nie zurückgetauscht in die einheimische Währung. Als Auslandskorrespondentin ist sie ganz schön rumgekommen. Zum Teil sind Scheine schon zerschnitten und auf große Papierbögen gklebt. Sieht echt gut aus. Erleichtert gucke ich die beiden an. Ich hatte mir schon ein wenig Sorgen gemacht, ob meine Mutter vielleicht senil wird und ihre Rente verbastelt. Das Bastelpapier, einmalig. Das hat wohl sonst niemand. Wo ist denn das Märchenbuch aus dem du Max vorgelesen hast. Märchen aus aller Welt? Amüsiert sieht sie mich an. Märchenbuch? Ich erzähle zu jedem Geldschein eine Geschichte passend zu dem Land. So erlebe ich meine Vergangenheit auch noch einmal ganz neu. Was ich alles erlebt habe! Da staune ich selbst.
Gute Idee, denke ich als ich die Treppe runtergehe. Als ich abends zu Hause auf meinem Sofa sitze muss ich noch einmal an Mutters Erzählstrategie denken. Ich habe zwar keine Geldscheine aus fernen Ländern, aber ich habe eine Postkartensammlung. Ich habe immer aus der Rückseite notiert, woher ich sie habe. Viele habe ich in Kunstasstellungen gekauft, nicht ganz so viele sind Mitbringsel von Urlaubsreisen. Kostenlose Postkarten aus Kneipen und Cafès sind auch jede Menge dabei. Es kann losgehen. Bloß nicht chronologisch! Ich werfe sie alle auf einen Haufen und mische sie gut durch. Dann bilde ich einen Stapel. Die oberste Karte zeigt La Cathdrale de Rouen von Claude Monet. Ich schließe die Augen und erinnere: Seine, Regen, Grau, Autofahrt, Michael… schon bin ich in der Geschichte und schreibe. Meine Vergangenheit mal anders.
Mittlerweile haben schon 25 Postkarten mein vergangenes Leben neu erzählt. Gerade schreibe ich an einer Zukunftsgeschichte. Ich liege mit meinem dicken rothaarigen Freund auf dem Bett und lese einen Comic. Da klingelt das Telefon…kater

Ein Gedanke zu “Tageblog 6. November 2016

  1. Das ist ja ein süüüsses Bild!! Und die Geschichte ist auch schön, gute Idee mit den Postkarten, könnte ich auch mal machen. Demnächst, in ein zwei Monaten 🤓

    >

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..